Dienstag, 3. März 2009


Meine liebe Tochter,

heute ist mir ein schwerer Stein vom Herzen gefallen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die bisher verwendeten Wahlcomputer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Die Frage die sich mir stellt ist einfach: Warum sollte man einen Wahlcomputer verwenden, anstelle eines dokumentenechten Stiftes und eines Blattes Papier, wo doch die Manipulationsgefahr mit Computern um so vieles größer ist? Die Antworten sind für mich nicht einfach zu finden. Man sagt, dass Wahlcomputer das Ergebnis schneller liefern. Das mag richtig sein. Aber wie schnell muss ein Wahlergebnis vorliegen? Sicher ist es unbequem auf ein Wahlergebnis eine Woche oder auch nur wenige Tage zu warten. Aber ist es nicht durchaus angemessen, wenn ein Wahlergebnis am nächsten Morgen vorliegt? Und mit der Hilfe von Telefonen ist diese Zeitspanne (zumindest in Deutschland) bisher immer gut erreicht worden. Muss ich um 18:00:30 Uhr wissen wer gewonnen hat? Nein, ich nicht. Jedenfalls nicht um diesen Preis.

Eine andere Antwort hat mit den Kosten zu tun. Ein Maschine ist billiger als das ganze Papier zu drucken und den Wahlhelfern eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Nun, eine Wahlmaschine kosten knapp über 4.000 Euro und ein Wahlhelfer bekommt etwa 10 - 20 Euro. Wenn das Papier für einen Stimmbezirk noch mal 100 Euro kostet (was sehr hoch angesetzt ist) dann belaufen sich die Kosten für eine Wahl in einem Wahllokal auf 240 Euro plus Kugelschreiber. Nach 16 Wahlen rentiert sich also so ein Gerät (Stromkosten lasse ich mal weg), vorausgesetzt, das Gerät muss nicht gewartet oder repariert oder mit einer neuen Software versehen werden. Dann dauerts länger. Vielleicht sogar länger als das Gerät lebt, was spätestens dann ein Verlustgeschäft ist, wenn ich mal davon absehe, dass man ja auch die Kosten für mindestens 16 Wahlen im Voraus bezahlen muss.

Eine weitere mögliche Antwort bezieht sich auf die Eindeutigkeit bei der Stimmabgabe. Ob nun der Oma der Stift wackelt oder Pils-Paule noch von der Ortskreis-Wahlkampf-Abschlussparty eine zittrige Hand überbehalten hat: Fakt ist, dass es Stimmzettel gibt, die keine eindeutige Wahl erkennen lassen. Und ich meine damit keine Protest-Zettel, die mit schmutzigen Wörtern beschmiert wurden (oder mit Schmutzigem) oder einfach nur durchgestrichen wurden. Manchmal ändert man seine Meinung, oder hat aus versehen die Falschen angekreuzt. Ein Wahlcomputer soll dort Abhilfe schaffen. Nun, vorstellbar ist, das ein Wähler auf eine Taste drückt um seine Wahl einzugeben, und das Wahlgerät druckt einen Zettel aus, der eindeutig angibt, was gewählt wurde. Ich habe keine Idee, wie viele Stimmen durch ungenaue oder eindeutig missbräuchliche Nutzung des Wahlzettels ungültig sind. Aber es müssen schon sehr sehr viele sein, um die zusätzlichen Kosten für Wahlcomputer zu rechtfertigen.

Nun, mehr Gründe fallen mir nicht ein. Und wenn ich die Vorteile aufzähle (die irgendwie keine sind) und die Nachteile (die für mich erheblich sind) in die andere Waagschale werfe, dann komme ich zu einem sehr unglücklichen Ergebnis. Die Schale mit den Nachteilen schlägt satt und schwer unten auf. Und ein Verdacht drängt sich mir auf, und er ist nur schwer zu entkräften, egal wie ich mich anstrenge, dass Wahlmaschinen angeschafft werden, um gezielt Wahlergebnisse herzustellen, und zwar von den Institutionen, die sich zur Wahl stellen. Wahlmaschinen sind teuer, unsicher und bringen einen Zeitgewinn der keinen Vorteil verschafft. Entweder, es gibt noch einen Vorteil für die Verwendung von Wahlmaschinen der mir bisher entgangen ist, oder mein Verdacht muss zur Gewissheit werden. Sicher, das ist ein schwerer Vorwurf an die angesprochenen Institutionen. Wollen wir doch mal sehen, wie die Parteien, die diese Maschinen angeschafft haben, auf das Urteil reagieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens noch mal darauf hingewiesen, dass sie mit ihrem Urteil nicht ausgeschlossen haben, das jemals mit Maschinen gewählt wird. Aber sie haben die Latte für solche Geräte sehr hoch gelegt. Wahlcomputer sollte meiner Meinung nach sicherer sein als Kreditkarten. Doch besonders dieser Zweig der Wirtschaft muss immer wieder merken, dass die Zahl der Manipulationsmöglichkeiten immer um mindestens 1 höher liegt als es Sicherheitsvorkehrungen dagegen gibt. Die Richter schlagen vor, dass Wahlcomputer Zettel ausdrucken die dann gezählt werden. Das wären dann Kugelschreiber für über 4.000 €/Stück. Da soll einer sagen, Richter in roten Roben hätten keinen Humor.

Alles in allem hat sich deutlich herausgestellt, das die Volksvertreter (wieder ein mal) nicht in der Lage waren Grundgesetzkonform zu handeln. Das macht mir Sorge. Und es wird auch dazu führen, dass Du mein kleiner Schatz eines Tages Deine erste Wahl an einem Wahlcomputer durchführen wirst. Und das wird wahrscheinlich dein eigener Computer zuhause sein, verbunden mit dem Internet. Und wie Du dich für diese Wahl legitimieren wirst, darüber mag ich gar nicht nachdenken.

„Diejenigen, die wählen gehen, entscheiden gar nichts. Die, die Stimmen zählen, entscheiden alles.“ Josef Stalin zugeschrieben

In Liebe,

dein Vater