12. März 09 | der_papa
Meine liebe Tochter,
es gibt gute Zeiten, und es gibt schlechte Zeiten. Wenn ich mein Leben so im Rückblick betrachte, dann erinnere ich mich sehr oft daran, dass mir schon als kleiner Junge geraten wurde, was für die Zukunft aufzuheben. Erst fand ich das blöd, dann habe ich es aus Gehorsam beachtet und später ist es mir sogar ein wenig eingeleuchtet. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Und das ist falsch.
Manchmal hat man viel Geld und kann sich reichlich zu essen leisten. Manchmal ist Schmalhans Küchenmeister. Wenn man sich was leisten kann, dann soll man es auch verprassen. Am Ende bleibt sowieso immer nur eine Erinnerung. Und jeder kann selber wählen, ob an üppige Zeiten oder an ewige Knapserei.
In der Bibel steht schon (jedenfalls so ungefähr), das man sich keine Sorgen um Morgen machen soll. Jeder Tag hat seine eigenen Sorgen. Und dann kommt noch der Teil von den Vögeln, die nicht säen und nicht ernten, und die Gott trotzdem erhält. Wie klug das doch ist. Und wie blöd, immer nur an ein Morgen zu denken, von dem man kaum weiß, wie es sein wird. Ziemlich kluger Mann, dieser Jesus.
Aus den kindlichen Belehrungen über das Sparen hat sich bei mir ein Charakterzug eingeschlichen, der üblicherweise als „knauserig“ bezeichnet wird. Und zwar knauserig zu mir selber. Wenn ich dann mal was Besonders hatte war ich meist so sparsam damit, dass ich am Ende nichts von der Sache hatte. Auch die Unart Dinge „für gut“ wegzulegen, oder für „besondere Situationen“, war mir in Fleisch und Blut übergegangen. Wie blöd ich doch war. Jeder Tag ist „gut“ und besondere Situationen ereignen sich immer heute. Warum also Manschettenknöpfe oder den guten Anzug nur an „besonderen“ Tagen tragen, warum nicht jeden Tag wenn man Lust dazu hat? Warum das teure Hemd im Schrank lassen, wo es einem doch jeden Tag Freude bereiten kann? Sicher, kommt dann plötzlich ein „besonderer“ Tag, dann ist das Hemd möglicherweise verschlissen. Aber dafür hat man es wenigstens oft getragen und sich immer daran gefreut.
Irgendwann ist es auch mit der Besondersten der besonderen Sache vorbei. Auch dann, wenn man sie immer für gut weggelegt hat. Es bleibt letztlich nur noch die Erinnerung daran. Und welche Erinnerung ist mehr wert? Die an verschwenderisch herrliche Zeiten, oder die an alle die verpassten Gelegenheiten sie zu nutzen, aus reiner Angst etwas vorzeitig aufzubrauchen. Mein Schatz, lebe weise, aber nicht geizig.
In Liebe,
dein Papa.