Donnerstag, 6. August 2009
Meine liebe Tochter,

gestern hat mir ein ex-Kraftwerker eine Präsentation in Garageband gegeben. Das ist eine Musiksoftware für den Mac. Meine liebe Tochter, der Mann hat für sein Alter ganz schön gejammt. Ich war beeindruckt. Während er mir die verschiedenen Instrumente und Loops und Riffs in Garageband gezeigt und zu einer beeindruckenden Performance zusammen gebaut hat (und zwar aus dem Stand muss ich sagen, der hatte keine Vorlagen dabei), habe ich bei einem Blick weg vom Computer, hin zu ihm, etwas gesehen, was ich schon lange nicht mehr bei jemanden gesehen habe: Feuer. Begeisterung. Echte, wirkliche Hingabe. Emil Schult hat mir nicht Garageband präsentiert, er hat seine Liebe zur Musik zum Ausdruck gebracht. Und zwar unmissverständlich.

Mein süßer Augapfel, schon lange ist mir bewusst das ich nur das gut mache, was ich auch gerne mache. Aber von einer Sache zu wissen ist das eine, danach zu handeln etwas anderes. Heute habe ich jemanden getroffen, der repariert Autos. In seiner eigenen Werkstatt. Der sagte mir, früher habe er sich kaputt gearbeitet, 20 Stunden am Tag. Heute hat er eine eigene Werkstatt und keine festen Öffnungszeiten. Er repariert Luxusautos, gerne auch ältere. Gerade habe er einen Jaguar E-Typ auf einer seiner 22 Hebebühnen. Ein Cabrio. Tolle Karre, aber miserable Technik. Bei 900 kg hat der Wagen über 200 PS. Der fährt 240, braucht aber die volle Länge der A3 um aus dieser Geschwindigkeit zu bremsen. Der Mann übertreibt, ja klar. Aber, er kauft alle Sachen ohne auf den Preis zu achten, arbeitet so viel wie er gerade will und fährt am Wochenende nach Venedig um sich Kunst anzusehen. Ausserdem hat er die krassesten Brillen auf die ich je gesehen habe. Die kommen oft aus New York, sagte er mir.

Meine kleine Zuckerschnute, ich wünschte, ich könnte das tun, was mich wirklich fasziniert. Ich wünschte, ich könnte das verwirklichen, für das mein Feuer entfacht ist. Einfach mal machen, ohne sich um das Morgen kümmern müssen. Oder wie die nächste Rate zu zahlen ist. Der Unterschied, so scheint es mir, liegt darin, dass Emil Schult und der Mechaniker mit den wilden Brillen sich es nicht nur gewünscht haben. Sie haben es gemacht — Mit Feuer in den Augen …