27. Februar 09 | der_papa
Meine liebe Tochter,
es ist das Darwin-Jahr. Und wieder kochen die Gefühle hoch darüber ob Darwin Recht hat, oder doch ein Schöpfer verantwortlich für die Artenvielfalt auf dieser Erde ist. Die Fronten scheinen hart zu sein. Darwinisten wollen endlich die Schöpfungsgeschichte in die Grenzen eines skurillen privaten Hobbys zurückgedrängt wissen, und Menschen, die von einer Schöpfung ausgehen, wollen sich natürlich nicht von ihren angestammten Positionen abdrängen lassen. Hinter diesem mädchenhaften Hauen und Stechen geht eine fruchtbare Diskussion vollkommen unter (worauf die Darwinisten rufen, eine fruchtbare Diskussion über einen Schöpfer kann ohne dessen Anwesenheit nicht geführt werden, was die Anhänger der Schöpfungslehre ebenso lautstark erwidern lässt, dass die Darwinisten möglicherweise vom Affen abstammen, sie hingegen aber nicht, was für mich alles in allem ein guter Hinweis darauf ist, das die Diskussion tatsächlich unfruchtbar ist).
Nun habe ich ja meine eigene Meinung zu dem Thema, und ich hoffe, dass ich alles tun kann, damit auch Du Dir eine eigene Meinung bilden kannst, was ich übrigens nicht darin sehe, dass ich Dir meinen Meinung so lange verheimliche, bis Du Deine hast, sondern in dem ich mit Dir eine fruchtbare Diskussion beginnen möchte über das Thema. Wie ich das anfangen will? Keine Ahnung. Zu aller erst scheint mir aber eines absolut wichtig. Wir sollten vor dem Leben Respekt haben. Unser nächster Nachbar im Weltall ist ein toter verwüsteter Steinklotz. Danach kommen weitere Steinklötze die ebenso tot sind. Und dann kommen riesige Gasansamlungen ohne Leben, und dann wieder Steinklötze. Im Zentrum dieser Ansammlung brennt ein thermonukleares Feuer. Alles was wir über das Universum wissen macht uns keine Hoffnung auf Leben ausserhalb unseres Planeten. Alleine die Statistik ist da optimistischer. Leben ist etwas Besonderes, und in dem uns bekannten Teil des Universums einzigartig.
Wir Menschen haben nicht den geringsten Schimmer darüber, wie aus unbelebter Materie (dessen Herkunft wir mit dem Urknall nahezu zweifelsfrei beschreiben können, wenn man mal von dem eigentlichen Knall und seiner Ursache absieht), wie also aus unbelebter Materie etwas entstehen kann das lebt. Mein Engel, wir Menschen haben nicht den geringsten Schimmer. Überhaupt nicht. Es gab mal ein Experiment (ich glaube von einem Franzosen), das aus einer „Ursuppe“ in einer „Uratmosphäre“mit Hilfe von Blitzen und Meteoriten Leben entstehen lassen sollte. Es gibt nach meiner Beobachtung viele Menschen die heute glauben, dass die Entstehung von Leben genau so geschah, wie in dem Experiment damals beschrieben. Aber das Experiment schlug vollkommen fehl. Es war bei Licht betrachtet nicht mal ein richtiges Experiment, sondern eher ein Studentenscherz, und keiner der verwendeten Zutaten war nach dem damaligen oder heutigen Wissensstand auf der Erde vorhanden. Egal wie viel wir forschen, der Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie ist uns bisher verschlossen geblieben. Das mag sich in Zukunft ändern, aber bis heute wissen wir nicht, wie aus einem Stein eine lebende Zelle wurde.
Leider erhellt auch Darwin diese Frage nicht mit einer diskussionswürdigen Antwort. Sein berühmtes Werk „On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life“ oder auf deutsch „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder Die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein“ enthält keinerlei Betrachtungen über die Entstehung der Arten, sondern nur über den Wandel der Arten. Woher das Leben kommt sagt das Buch nicht. Nur wie es sich wandelt.
Was Darwins Buch angeht, so lässt sich sicher sagen dass er — trotz Mängel in seinen Ausführungen und berechtigter Kritik an Teilen seiner Vermutung — im großen und ganzen mit seinen Überlegungen über den Wandel der Arten Recht hat. Es ist wie mit dem Urknall. Man kann beide Vorgänge nicht wiederholen (was üblicherweise Grundvorraussetzung für eine wissenschaftliche Betrachtung ist), aber die gefundenen Erklärungen sind so gut, dass auch Mängel darin (eigentlich der Tod einer wissenschaftlich fundierten Theorie) ihr nichts anhaben können. Vielmehr wird erwartet, dass die vorhandenen Mängel durch spätere Entdeckungen ausgeräumt werden. Arten ändern sich, sie passen sich ihre Lebensumstände an. Mir scheint das ein perfekter Hinweis auf einen Schöpfer zu sein.
Die Schöpfungsvermutung hat es nie leicht gehabt. Am Anfang war sie vom Klerus vorgegebene Doktrin. Öffentlich vorgebrachte kritische Gedanken über dieses Thema brachten mindestens Repressalien, manchen den Tod. Ich nehme an, sie wurde von denen die sich nichts dabei dachten als schöne Lösung akzeptiert, von denen die sich was dabei dachten ignoriert. Irgendwann dachten die Menschen mehr über ihre Umgebung nach und die Beagle stach in See. Mit Darwins Buch wurde die Schöpfungstheorie in den Köpfen der Menschen nur noch ein Alternative. Dann wurde sie belächelt, und im Moment wird sie bekämpft.
Kommen wir zurück zu der wünschenswerten fruchtbringenden Diskussion, und warum es sie nicht gibt. Ich habe eine Vermutung, mein kleiner Schatz, und ich bin gespannt, ob Du meinen Gedanken dazu später mal teilen wirst. Ich kenne niemanden der das Buch „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder Die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein“ im Regal stehen hat. Ok, ich habe eines, aber das gilt an dieser Stelle nicht. Ich kenne auch niemanden, der das genannte Buch gelesen hat. Was ich kenne sind Menschen die sich auf das Buch berufen (und viele auch auf das oben beschriebene „Experiment“) wenn sie nach ihrer Meinung über die Entstehung des Lebens gefragt werden. Wie ich aber angeführt habe ist das Experiment fehlgeschlagen und Darwins Buch erklärt viel, aber nichts über die Entstehung der Arten. Beide Argumente sind nicht in der Lage die Frage nach dem Ursprung des Lebens zu beantworten. Die Frage ist also eigentlich offen. Trotzdem bestehen die Menschen die ich kenne darauf, das ein Buch, das sie nicht kennen und ein fehlgeschlagenes Experiment erklären, warum wir leben. Und jetzt zu meiner Vermutung.
Ich vermute, dass Menschen lieber diese unbefriedigende Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens in ihren Lebensentwurf einbauen, weil die Alternative eines Schöpfers ihr Leben vollkommen umwerfen würde. Ein Schöpfer, wenn es ihn den gibt, würde das Leben der Menschen massiv verändern. Alles ist dann anders. Ich möchte das mit dem Wissen um den eigenen Tod vergleichen. Wir alle werden sterben. Du leider auch, mein Schatz. Niemand mit Verstand macht sich über seinen Tod Illusionen. Wir machen uns aber darüber nur wenige Gedanken. Ok, manch einer mehr, andere gar nicht. Was aber, wenn wir beispielsweise nach einem Arztbesuch die gesicherte Information bekämen, dass wir in ziemlich genau drei Wochen sterben werden? Wer diese Situation noch nicht miterlebt hat, weiß nicht, was alles in einem passiert. Ich habe eine sterbende Krebspatientin begleitet. Es kam der Punkt an der sie wusste, dass sie sterben würde und das das bald ist. Alles was sie tat war auf ein mal anders. Alle Gedanken hatten ein ganz neues Ziel. Jeder Kontakt mit Freunden und der Familie war intensiver. Selbst Begegnungen mit Fremden waren völlig anders. Leben mit der Gewissheit des Todes ist deutlich mehr von Liebe und Achtung geprägt als Leben das den Tod weit von sich geschoben hat.
Leben mit einem Schöpfer ist ähnlich. Ich vermute, dass aus diesem Grunde lieber einer Lebenslüge geglaubt wird, als sich mit den Konsequenzen aus der Existenz eines Schöpfers auseinander zu setzen. Ich habe mich mit ihnen auseinandergesetzt und sehe heute die Schöpfungskritiker mit dem selben Kopfschütteln ihre Meinung vertreten, wie sie mich sehen; Einen Menschen der an Gott als Schöpfer glaubt. Wer über den letzten Satz nachdenkt, kann den Grundstein für eine fruchtbringende Diskussion legen.
In Liebe,
Dein Papa