Meine liebe Tochter,

Du bist zwar gerade mal ein paar Tage im Kindergarten und Du hast bisher nur sehr verschwommene Vorstellungen vom Internet und von Mobiltelefonen (Deppendeutsch: Handy), aber das wird sich legen. Beides macht sich in Deinem Leben demnächst massiv breit und Du wirst es mal genießen, möglicherweise auch mal hassen, manchmal auch meiden, aber Du wirst immer irgendwie damit umgehen müssen.

Für viele Dinge eignet sich die Methode „learning by doing“, was so viel bedeutet wie „mach mal — wird schon“. Wenn ich mich aber da draußen umsehe muss ich feststellen: Dass klappt nicht bei jedem. Eigentlich klappt es bei den meisten eher nicht. Nun ist der Umgang mit den Medien schon lange ein Thema in der Pädagogik, meine kleine Zuckerschnute. Ich kann mich an „kreative“ Unterrichtseinheiten in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts erinnern. Auch der Einsatz von Medien wurde meist äusserst kreativ gestaltet. So erinnere ich mich sehr gut daran, wie ich im Unterricht meine Timex-Armbanduhr (auf die ich damals sehr stolz war) neu gestellt hatte, weil die Uhr auf dem Fernsehbildschirm kurz vor der Schulfernsehsendung eine andere Zeit zeigte, was nicht verwunderlich war, handelte es sich doch um eine Betamax-Aufzeichnung vom Vortag. Reingefallen. Immerhin waren die Sprachlabore ganz lustig, wenn auch ein wenig gespenstisch, wie da alle mit dicken Kopfhörern auf der Omme auf ein Blatt vor sich schauten und leise vor sich hin brabbelten, jeder für sich alle zusammen.

Allerdings konnte man damals schon „kreativ“ nicht unbedingt mit „erfolgreich“ übersetzen.

Heute gibt es keine Sprachlabore mehr. Hoffe ich. Auch kann ich mir nur schwer vorstellen, dass immer noch Videokassetten im Unterricht gezeigt werden. Spätestens wenn Du in die Schule gehst, mein Engelchen, dann werden Filme von einer Datei auf einem Beamer gezeigt (oder auf eingebaute Monitore im Pult?). Trotzdem versuchen Pädagogen immer noch Medienkompetenz zu vermitteln.

Im schweizerischen Goldau wird das so gemacht: Man nehme 17 iPhones (für jeden Schüler der Klasse 5 einen) und lasse die Kids mal machen. Dann wird Zug um Zug gezeigt, wie man „kompetent“ mit Medien umgeht. Nach einer Einführungsphase können die Schüler und Schülerinnen das Gerät auch mit nach Hause nehmen. Natürlich sind die Schüler begeistert. Es gibt ebenso natürlich Gegenstimmen die mokieren zum Beispiel, dass kein Internetfilter aktiviert ist, oder das geschenkte Geräte den kritischen Umgang mit Geld nur äusserst schlecht vermitteln. Tatsache ist aber, dass die Probanden sich vom Start weg als überraschend kompetent im (technischen) Umgang mit dem Gerät erwiesen. Die Erwachsenen staunten.

So eine Aktion erweckt natürlich die Neugier der Medien. Und so meldet sich ein Fernsehteam in der Klasse an und zeigte, dass für 3 Minuten Fernsehen gut drei Stunden Aufnahmen notwendig sind. Natürlich kommt es dabei auch zu interessanten Zwischenfällen. Eine Lehrerin schreibt in ihrem Projektblog darüber:

„Bei den Aufnahmen mit diesen zwei Schülern gab es noch eine Situation, welche mich sehr freute: Der Reporter wollte, dass sie sich irgendwo auf dem Schulweg hinsetzen und etwas auf dem iPhone machen. Sie taten das auch, aber nicht so, wie gewünscht. Beide Schüler hörten sich nämlich nochmals die Französisch-Übung an und wollten sie repetieren. Das wäre aber nicht im Sinn vom Artikel und deshalb mussten sie auf Geheiss des Reporters halt etwas im Internet herumsurfen …“

Mir scheint, nicht die Kinder benötigen pädagogische Hilfe in Medienkompetenz, sondern einige ausgewählte Erwachsene. Ich bin gespannt, wie Du darüber einmal denken wirst, mein Schatz.

In Liebe,

dein Papa